Grytøyra 1997   

10.08.1997 - 18.08.1997

Schon seit der Kindheit bin ich begeisterter Angler. Bei einem Frühstück beschlossen mein Areitskollege Christian und ich spontan, in diesem Jahr zusammen nach Norwegen zum Angeln zu fahren. Endlich mal solche Fische fangen wovon andere immer nur erzählen oder wir gelesen haben. Schluss mit den Planktonfischen hier in Deutschland. Wir wollen die Riesen fangen, denn in Norwegen da brauchen wir ja nur den Köder ins Wasser zu lassen und fangen sofort einen Nordmeerriesen. Tja was waren wir doch blauäugig.
Unter diesem Motto möchte ich auch den folgenden Reisebericht schreiben.

Die Crew

      Gustav    Christian         Michael        Daniel      

Für diese Reise konnte ich zusätzlich schnell Gustav und meinen Sohn Daniel begeistern. Allesamt erfahrene Angler mit Nord- und Ostsee-Erfahrung, jedoch war keiner von uns zuvor in Norwegen gewesen. Wir buchten eine Hütte ca. 200 Km nördlich von Bergen in Grytoyra bei Aud und Alf Einen. Die Reisevorbereitungen waren sehr intensiv - wie waren wir doch blauäugig - , machten Spaß und gehörten eigentlich schon zum Urlaub dazu. Wir entschlossen uns, mit der Fähre von Hanstholm nach Bergen zu fahren. Nach 8 Stunden Fahrt mit dem Auto kamen wir in Hanstholm an. Während der Wartezeit auf die Fähre schaukelten wir uns alle bereits gegenseitig hoch. Was für kapitale Fische wir wohl fangen würden und am liebsten hätten wir gleich unsere Peitschen raus geholt und los geangelt. Stattdessen trösteten wir uns dann mit ein paar Bierchen und Christian hatte schon arge Bedenken, ob unsere nassen Vorräte reichen würden, weil Gustav doch einen ordentlichen Zug hatte. Das Warten erschien uns allen endlos, doch dann kam sie endlich, die MS-Bergen. Ein stolzer Anblick, wie der Kapitän diesen großen Pott an die Pier anlegte. Nachdem wir unsere Kabine bezogen hatten gingen wir auf das Sonnendeck, suchten uns einen Liegestuhl und ließen einfach nur die Gedanken baumeln und drillten schon alle unseren 40 Pfund Dorsch. Die Sonne brannte wie in der Karibik, es war Kaiserwetter für 4 hoch motivierte und durch nichts zu beeinflussende Norge-Rookie.

Die MS-Bergen, mit alten Reedereifarben.

Wir fuhren mit der Fähre über Nacht und gingen früh schlafen. Am nächsten Morgen war ich schon sehr zeitig auf und ging raus aufs Deck, um eine zu rauchen. Dann sah ich zum ersten mal Norwegen live und bestimmt von seiner ganzen Schönheit. Mein erster Eindruck von diesem Land übertraf sämtliche Vorstellungen. Es war mehr als nur ein beeindruckender Anblick, wie sich die Fähre ruhig durch die vorgelagerten Inseln schob, bei spiegelglatter See und aufgehender Sonne hinter den Bergen. Ich war in einer anderen Welt und diesen Eindruck werde ich niemals mehr vergessen.

Nun ging alles sehr schnell und Leben kam an Bord. Morgenwäsche, rasch noch ein Brötchen auf die Faust, Fotos von der Anfahrt auf Bergen und ab aufs Autodeck für die Ausschiffung. In Bergen haben wir uns sehr gut orientieren können und fuhren schon bald auf der E39 die uns zu unserem Urlaubsziel bringen sollte. Vorbei an malerischen Seen, tiefen Schluchten, Bergen, durch kilometerlange Tunnel (mit 14 % Gefälle) und der allgemein faszinierenden Landschaft erreichten wir dann unser Ziel Grytøyra. Zuvor mussten wir noch über den größten Fjord der Welt übersetzen, dem Sognefjorden, mit einer Länge von 204 km und einer Tiefe von bis zu 1296 m.

Anfahrt in den Hafen von Bergen.

Unsere Hütte war gemütlich und zweckmässig, kein Königspalast aber auch keine Kaschämme. Bis zum Wasser waren es nur ca. 20 Meter, wo an einem eigenen Bootssteg die Boote lagen. Nachdem der nette Vermieter Alf Einen uns begrüßt hatte, war seine erste Frage: 'Habt ihr Snaps dabei ?' . Wir hatten Snaps dabei und neben dem traditionellen Gastgeschenk in Form von Hochprozentigem, kaufte er unsere ganzen entbehrlichen Vorräte auf. Nach einer kurzen Einweisung für den Aussenborder und ein paar Tipps von erfolgversprechenden Angelstellen waren wir dann nun auf uns alleine gestellt. Wir wollten endlich angeln, wir waren heiss darauf unsere Pilker zum ersten Mal in den Nordatlantik in die Tiefe zu lassen. Also packten wir in Windeseile unsere Sachen aus, montierten unser Angelgeschirr und gingen nun für den ersten Ausflug zu unserem Boot. Hmmmm, vier Mann in diesem Boot ? Na ja, Platz ist auch in der kleinsten Hütte. Hmmmm, was steht da auf dem Aussenborder ? 5 PS, ist doch viel oder ? Oh was waren wir doch blauäugig .....

Wenigstens stiegen wir dann ins Boot ein, fanden auch irgendwie alle einen Sitzplatz und siehe da, der AB sprang sofort an. So orgelten wir dann mit quälenden Geräuschen des AB zu unserer ersten Angelstelle hin. Die Materialschlacht sollte beginnen und unsere ganzen Vorbereitungen waren auf einmal in Vergessenheit geraten. Wo angeln wir denn nun in dieser unendlichen Weite ????? Ein Echolot hatten wir nicht gehabt, dafür aber exzellente Seekarten *lach. Lange Rede kurzer Sinn, das erste Ergebnis unserer ersten Tour war erschreckend und deprimierend. Ein Wittling, bei 7 verlorenen Pilker samt Vorfach. Etwas gefrustet orgelten wir dann mit 5 PS und vier Mann in einem Boot Richtung Hütte zurück.

Etwas eng wurde es auf dem Boot.

Der nächste Tag sollte erfolgreicher werden (Kunststück) und nach vorabendlicher Vorbereitung stiegen dann früh morgens vier Mann in das geräumige Boot und orgelten wieder mit 5 PS zu den erkorenen Fanggründen. Diese lagen ca. 7 km entfernt auf der anderen Seite des Vilnesfjord. Das Wetter war super, Sonnenschein und kaum Wind. Lange dauerte es auch nicht, bis wir unseren ersten Fisch zogen. Es war ein Leng, aber war das ein Nordmeerriese ????? In der darauf folgenden Zeit gesellten sich noch ein paar Artgenossen dazu, ein paar Dorsche und Makrelen waren auch dabei. Jedoch war der Verlust an Material zu groß und wir beschlossen an eine andere Stelle zu fahren. Dann begann der Alptraum eines jeden Norwegen-Rookie. Der AB sprang nicht mehr an. Technisch versiert waren wir und versuchten auch einiges, aber keine Chance, er sagte kein Mucks mehr. Rudern war jetzt angesagt und ich möchte jetzt nicht weiter mehr darauf eingehen. Ich sage nur 7 Km rudern, mit vier Mann in einem Boot und einen 5 Ps AB, über einen Fjord gegen die Gezeiten bei aufkommendem Wind und einen sich langsam zersetzenden Riemenblatt. Was waren wir doch blauäugig ....

Irgendwann kamen wir dann erschöpft und mit Schwielen an den Händen bei unserer Hütte an. Alf unser Vermieter war nicht da, also montierten wir den AB vom Boot und fuhren zur nächsten Tanke. Dort stellte sich heraus, dass der Notausschalter einen Defekt hatte. Dieser wurde schnell ausgetauscht und dann alles wieder zurück und den Motor wieder ans Boot. Der zweite Tag war also auch ein Reinfall, aber wenigstens hatten wir ein paar Fische gefangen. Am Abend kam dann Alf zu uns und wir erzählten ihm von unserem Highlight. Alf meinte nur : ' Ja ja, das Boot ist nicht gut zu rudern'. Christian wäre ihm beinahe ins Gesicht gesprungen, aber als Alf uns dann für den nächsten Tag einen viel versprechenden Tipp einer Angelstelle gab, wart ihm verziehen.

Motorausfall auf offener See.

Am nächsten Tag fuhren dann vier Mann mit einem quälenden 5 PS AB zu der neuen Topstelle. Sie lag vor der Küste auf dem Meer und hier fingen wird dann auch die erhofften Fische ohne viel Materialverlust. Die Artenvielzahl war doch schon beeindruckend. Wir fingen fast die gesamte Pallete von Fischen: Leng, Lumb, Schellfisch, Dorsch, Pollack, Wittling, Rotbarsch, Kvelte und ..... Es machte Spass jedes Mal bei einem Biss den Fisch an die Oberfläche zu befördern. Was würde es wohl diesmal sein? Verwöhnt wurden wir auch durch das schöne Wetter und fast keinen Wind und das die ganze Woche lang. Gesagt sei hier noch mal, dass wirklich auch Glück dazu gehört, einen großen Fisch zu fangen. Gustav war bei uns der Glückliche. Er zog bei unserer letzten Ausfahrt in der letzten Minute quasi einen Leng von 115 cm und 16 Pfund in 150 Meter Tiefe.

Dieser erste Norwegentrip war trotz einiger Missgeschicke von uns allen als positiv empfunden worden. Die erzielten Erfahrungen und das Lehrgeld was wir bezahlten stehen in keinem Buch und kann uns auch niemand mehr nehmen. Wir haben in dieser Woche Blut geleckt und waren uns sicher, im nächsten Jahr uns wieder den Fisch zu stellen und dieses beeindruckende Land zu besuchen. Jedoch mit anderem Equipment und anderer Vorbereitung. Auch wenn wir nicht immer Angeln konnten, war die Erholung einfach sensationell. Inmitten dieser Landschaft und den freundlichen Menschen ist es ein Land, welches wir nicht zum letzten Mal besucht haben.

Gustav sein Leng

Michael Becker